Besuch im Ferienhotel Bodensee in Berlingen Schweiz am 19.04.2017
Das erste konsequente barrierefreie Ferienhotel
Das Wetter war ja nicht gerade einladend, als wir 5 (Gebhard, Hannelore, Gerlinde, Notburg, Annette) um 14 Uhr vom Döbele losgefahren sind. Nach einer halbstündigen Fahrt bei Kälte und Schnee am grauen See entlang, erreichten wir dann unser Ziel und waren erstmal sehr erstaunt. Das Hotel liegtdirekt an einer stark befahrenen Hauptstraße. Da waren wir ja doch skeptisch. Dann, oh Schreck, eine Treppe! Barrierefrei?? Kein Widerspruch, direkt neben dem Eingangsbereich ein großer Aufzug.
Freundlich empfangen wurden wir vom Hoteldirektor Herrn Stefan Steiner. Die knapp einstündige Führung durch das Haus hat uns immer wieder verblüfft. Das Hotel verfügt über 22 Zimmer mit 50 Betten, einen sehr schön angelegten Garten, gut mit Rollstuhl zu befahren und das Angebot Boggiabahn,Schachspielwerden gerne angenommen.
Zum Zeitpunkt unseres Besuchs gastierte eine Multipleseklerose-Gruppe und so konnten wir direkt erleben, wie wichtig all die baulichen Besonderheiten des Hauses sind. Die Türen sind extrabreit, mit Sensor ausgestattet, so dass sie sich nur öffnen, wenn niemand von außen davorsteht. Die Zimmer sind hell und freundlich, mit einem Pflegebett (dem man es nicht direkt ansieht) ausgestattet. Möchte ein Angehöriger/Betreuer nicht in einem Pflegebett schlafen, wird es gegen ein „normales“ ausgetauscht. Die Bäder sind sehr großzügig und komfortabel.
Die Zimmer auf der Gartenseite sind mit einem großen Balkon ausgestattet. Im Sommer ist das sicher ein begehrtes Plätzchen. Von den oberen Stockwerken zur Straßenseite hat man einen herrlichen Blick über den See. Und, es war kein Straßenlärm zu hören!
Im obersten Stock befinden sich 3 Familienzimmer. Alles toll durchdacht. Herzlichen Dank, den Gästen, die erlaubt haben in ihren Privatbereich Einblick zu nehmen.
Das gesamte Mobiliar ist komplett auf die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern angepaßt. Das beginnt an der niedrigen Rezeption, in der Cafeteria ist das Büfett vom Rollstuhl ohne Probleme zu erreichen, alle Wege sind breit, das Ambiente sehr hell und freundlich.
Wie schon gesagt, war das Haus mit einer Gruppe MS-Patienten belegt, die z.T. ihre Betreuer mitgebracht haben. Und nicht nur das, sondern all ihre Hilfsmittel, wie Bettenlift usw. So sind Gäste mit Handicap auch hier bestens versorgt. Wer allein anreist und doch pflegerische Hilfe benötigt, bekommt diese von der „Spitex“, (bei uns ist das die häusliche Pflege). In der Schweiz wird das von der Kasse übernommen.
Herr Steiner berichtete, dass bereits eine Gruppe aus Augsburg zu Gast war und die Kosten auch übernommen wurden. Da bin ich noch dran das abzuklären. Total beeindruckt hat uns die Motivation der Mitarbeiter, die nicht aus der Pflege kommen, aber persönlich irgendwie mit Behinderung konfrontiert sind.
Der Direktion ist es sehr wohl bewusst, dass jedem Mitarbeiter, egal aus welchem Bereich dessen Funktion angesiedelt ist, zur allgemein üblichen Belastung zusätzlich psychisch und emotional viel abverlangt wird. Deshalb finden regelmäßig Supervision-Sitzungen statt, für alle von der Reinigungskraft bis zum Direktor.
Da es nicht immer einfach ist mit Menschen mit Handicap umzugehen, es gibt ja auch ergreifende Schicksale und hier können und sollen sowohl Betroffene, als auch Familie und Betreuer mal richtig entspannen, da wird dann sicher viel geredet. Wir kennen das aus der Gruppe ja auch, wie gut es tut, sich mal Kummer von der Seele zu reden.
Bei Buchung wird den Gästen schon vorab eine Liste von barrierefreien Ausflugsmöglichkeiten zugesandt; es gibt auch Angebote ortsansässiger Unternehmen.
Im Sommer ist das Hotel gut belegt, im Winter eher weniger. Daher gab es 2016 zum ersten Mal vom 23.12.bis 2.1. die Möglichkeit an Kursen, die von Therapeuten, Künstlern angeboten wurden, teilzunehmen. Das ist sehr gut angenommen worden. Klar, viele wollen zu der Zeit nicht alleine sein. In nächster Zeit werden 2 angrenzende Häuser ebenfalls zu Hotels umgebaut, allerdings nicht barrierefrei. Sie sollen besonders den Pflegenden zum verdienten Rückzug von der 24 Stunden Rundumbetreuung ermöglichen. Also, der Patient wohnt im Vorderhaus, trägt einen Notruf, der Betreuer wohnt, wenn gewünscht im Nebengebäude.
Mit einem guten Cappuccino im Wintergarten haben wir diesen beeindruckenden Besuch beendet. Ich habe schon mehrere „barrierefreie“ Hotels angeschaut…… Rampe im Eingangsbereich, Aufzug und begehbare Bäder……….
Das, was ich im Ferienhotel in Berlingen gesehen und erlebt habe ist gelebte Inklusion. Mein Respekt gilt den Initiatoren und Mitarbeitern. Ich hoffe, dass es bald viel mehr dieser Angebote geben wird.